„No day off!“ – Senkrechtstarter der Triathlon-Saison 2018

09.11.2018

TVN sprach mit Franka Rust und Fabian Schönke aus Lüneburg

Mitten im Sommer hat Fabian Schönke eine Wollmütze auf dem Kopf – okay, er kommt gerade frisch geduscht vom Training. Seine neben ihm zierlich wirkende Partnerin im Triathlon, Franka Rust, ist sommerlicher gekleidet und – was man gar nicht glauben kann – die Ältere. Beide sind 15, aber sie wird dieses Jahr noch 16 und startet deshalb schon in einer anderen Klasse.Der Höhenunterschied beträgt augenscheinlich 27,5cm, Fabian bringt es auf 188, Franka auf 160,5. Es hat den Anschein, dass ihr diese 5 Millimeter wertvoll und wichtig sind. Er hört Raggae, sie hört Rap. Fabian hat, als wir uns treffen, Bob Marley in den Ohren, manchmal auch Le Fly oder Irina Revolté – da passt auch die Wollmütze.

Das Präsidium des TVN ist nach Lüneburg gereist, um beide frischgebackenen Kaderathleten für ihre Leistungen in der gerade zu Ende gegangenen Saison zu beglückwünschen. Fabian hat 2018 alles gewonnen, was es zu gewinnen gab und gehört dafür ausgezeichnet. Mit dabei sind die beiden Trainer vom RSC Lüneburg, Steffi und Jonathan sowie Betreuerin Sonja (Fachwartin Jugend).

Fabian wurde am 30. Juni Deutscher Meister Jugend B über 400m Schwimmen, 9km Radfahren und 2,5km Laufen in 30min, 50,54 sec gegen seinen Lieblings-Konkurrenten Paul Metzger, fünf Tage zuvor gewann er die Landesmeisterschaften am Fümmelsee bei Wolfenbüttel in 31 min 54 sec. Beim Hamburger Stadtparktriathlon am 4.Juni, der einen Kilometer weniger auf dem Rad vorsieht, gewann er in 31:22. Franka wurde bei den Schülerinnen dritte mit 40:42. Das sind vielversprechende Leistungen. Wie sind die zwei eigentlich zum Triathlon-Sport gekommen?

Frankas Hintergrund ist das Reiten, sie hat den Ausdauersport bei ihrem Vater bewundert und wollte das auch machen. Fabian ist eigentlich eher Läufer, hat auch früh Fußball gespielt. Das Seepferdchen hatte er zwar schon im Alter von fünf Jahren, ist danach aber eigentlich überhaupt nicht mehr geschwommen, bis er 13 war. Und zwei Jahre später deutscher Jugendmeister im Triathlon – Respekt! „Wenn man genug Körner hat, kann man ruhig als Zehnter oder im guten Mittelfeld aus dem Wasser steigen, das Radfahren durchstehen und dann beim abschließenden Lauf nochmal angreifen“, weiß er. So hat es Fabian in Goch beim Zielsprint erfolgreich gemacht. Fabians Anspruch ist es, deutscher Meister zu werden bzw. zu bleiben, sein Motto lautet „No day off!“ Nie nachlassen, immer dran bleiben!

Auch Franka hat eine Philosophie: „Im Leistungssport ist es wichtig, dass man an sich glaubt. Ich darf nicht innerlich aufgeben, niemals aufgeben. Ich muss immer ans Limit gehen!“ Damit ist sie bislang erfolgreich gewesen. Fabian geht dann aber gleich dazwischen: Er möchte nicht zu ehrgeizig sein und versucht trotz aller Leistungsorientiertheit locker zu bleiben. „Vor Wettkämpfen ist man dann aber doch aufgeregt, die Anspannung wächst, das ist gut, aber man denkt zu viel nach, man überlegt, wie trainiert sind die anderen? Ich brauche diese Aufregung, um erfolgreich zu sein, das Adrenalin pusht mich voran!“

Jonathan berichtet von seiner Entdeckung: Er bobachtete Fabian an einem Wintertag beim Mountainbike-Training, da war Fabian gerade 12 oder 13, und er hat die Technik komplett beherrscht. Das war ungewöhnlich, erstaunlich und letztlich ausschlaggebend für vertiefende Maßnahmen, zu schauen, was geht. Erst mussten die passenden Strukturen im Verein aufgebaut werden, dann wurden vereinsinterne Perspektivkader gebildet.

„Natürlich geht viel Freizeit drauf“, erklärt Fabian sehr souverän – so ein Kaderathlet trainiert neunmal pro Woche. Neun Trainingseinheiten im Durchschnitt, das bedeutet 4x Schwimmen, je 2x aufs Rad und Laufen. „Laufen ist mein Ding“, sagt auch Franka. Und motiviert sich über den Spaß an der Sache: „Wenn die Trainingsgruppe stimmt, bleibt man dabei!“ Manchmal mache es sogar zu viel Spaß. Sie muss über sich selbst lachen. Trainer Jonathan hebt lobend hervor, dass dabei keineswegs die schulischen Leistungen auf der Strecke bleiben. Sowohl Franka als auch Fabian haben im Zeugnisdurchschnitt eine eins vor dem Komma. „Ich lerne eigentlich so gut wie gar nicht, es fällt mir zu“, gesteht Fabian. Er hat naturwissenschaftliche Interessen, die MINT-Fächer haben es ihm angetan, und besonders wertvoll ist natürlich der bilinguale Zweig, das hilft auch bei internationalen Wettkämpfen. Franka, derzeit 10. Klasse, bevorzugt  Bewegungspädagogik, Personal Trainerin könnte vielleicht ein Berufsbild sein – und sie ist an Sprachen interessiert.

Es ist eine nahezu familiäre Stimmung, im Verein, innerhalb dieser Trainingsgemeinschaft und auch bei Lüneburgs Top-Italiener Luigi, es wird viel gelacht und gespaßt, es macht große Freude mit den beiden Ausnahmesportlern und ihren Betreuern zu plaudern, weil sie erfolgreich sind und dennoch Bodenhaftung behalten haben. „Fußball ist auch ganz okay, aber beim Triathlon geht es kameradschaftlicher zu“, findet Fabian. Da sei es auch in Ordnung, wenn man mal nicht die Bestleistung abrufen kann. Das werde nicht so übel genommen, Fehler werden eher verziehen. Wichtig sei, dass man sich nicht stur an Pläne hält, ich muss auch mal in Frage stellen dürfen. „Mündige Athleten kommen weiter als drangsalierte“, meint Fabian. Man muss sich auch gegen Trainer behaupten können, sagen beide 15jährige (!) Perspektivkader. Das ist überraschend. Justus Nieschlag sei hier ein Vorbild. Sich dann auch ein dickes Fell zulegen, das sei wichtig!

Erstaunt, über welche Reife diese beiden jungen Athleten bereits verfügen, fragen die TVN-Verantwortlichen nach Wünschen: Die Startgelder bei den jeweiligen Wettbewerben müssen derzeit noch selbst bezahlt werden, meist von den Eltern – da wäre eine Hilfe des Verbandes ganz gut. Fahrtkosten und Unterkünfte bei Wettbewerben ebenso. Und dann die Eintrittsgelder in öffentlichen Freibädern, in denen trainiert werden muss. Fabian fällt noch ein: „Man wächst ja sehr schnell aus den Neoprenanzügen raus – habt ihr da nicht mal einen Sponsor?“ Wir behalten das im Auge.

(Das Gespräch führten Winfried Barkschat und Dr. Lutz Tantow)